Sie lesen die Ausgabe: Frankfurter Börsenbrief vom 15.06.2023

Nr. 24/23 Frankfurter Börsenbrief

Bernecker Briefkopf
Actienboerse Briefkopf

Zur aktuellen Marktlage


Einbruch oder Ausbruch?

So lautete unsere Frage vor acht Tagen. Unmittelbar vor den Zinsentscheidungen der zwei Notenbanken steht die Wahrscheinlichkeit zugunsten des Ausbruchs bei 9:1. Das ergäbe eine Sommerrallye mit einem Potenzial für den DAX bis zu 17.000 Punkten, mit Glück auch bis zu knapp 18.000. Entscheidend dafür ist, ob der S&P 500 seinen alten Rekord von 4.850 erreicht, wofür noch etwa 13 % fehlen. Wie bereits avisiert:

Das große Geld investiert in das große Kapital. Die teuersten Unternehmen der Welt sind aktuell die Favoriten aller großen Fonds. Der Schlüssel in New York dafür lautet: „Fear of missing out.“ Über die Beträge, die zur Disposition stehen, berichteten wir bereits. Folge:

Nicht die ökonomischen Kennzahlen sind zurzeit entscheidend, sondern die Aussicht darauf, dass die vielfachen Chaosbefürchtungen nicht eintreten. Was ist der wichtigste Indikator dafür? Die Arbeitsmärkte sind erstaunlich robust, sowohl in den USA mit der höchsten Beschäftigung aller Zeiten - 128 Mio. Menschen - als auch in Deutschland mit rund 45,2 Mio. Erwerbstätigen. Weder die Arbeitslosenzahlen noch die freien Stellen sind entscheidend, sondern diejenigen, die das ganze Land tragen, Geld verdienen und trotz Inflation für Umsatz sorgen und es ausgeben. 

Nach der Pandemie und der Energiekrise, insbesondere in Deutschland, ist dies einer der seltsamsten Konjunkturverläufe, die es in der Bundesrepublik je gab. Die Entscheidungen dafür fallen nicht am Konferenztisch der Ampel, sondern bei den großen Unternehmen im Land. In New York natürlich bei den großen Techs mit sensationellen neuen Technologien wie KI oder Apples XR-Brille, die ähnlich wirken wie die Technologien der Vergangenheit von den Röntgenstrahlen über die Glühbirne zum Computer und schließlich dem Smartphone vor 22 Jahren. Sie veränderten die Welt nachhaltig.

Inhalt:

Volkswagen: Startschuss zur Aufholjagd 
Rheinmetall: Von 10 auf 17 Mrd. €?
Thyssenkrupp: Nucera-IPO als Impulsgeber
Adobe: Frischer Schub durch KI
AMG Critical Materials: Lithium-Perle mit KGV 7
Rexel: Günstiger Klimaprofiteur
Netflix: Streaming-Pionier hat Momentum
Tesla: GM-Kooperation als Kurs-Trigger?
Lithium-ETF / PNE-Anleihe: Doppelpack fürs Klima 
Musterdepots: Intel läuft an, Zukauf getätigt

DEUTSCHLAND


VW: Startschuss zur Aufholjagd?

Kommt die VW-Aktie nun endlich aus dem Quark? Der VW-Vorstand präsentierte dem Aufsichtsrat in der zurückliegenden Woche die Details zum geplanten neuen Mega-Sparprogramm. Es geht um nicht weniger als den größten Umbau seit Jahrzehnten beim Wolfsburger Konzern. Der wird seit Jahren wie ein träger Staatskonzern geführt - mit anderen Worten: Ineffizienzen sind Standard statt Ausnahme. Hier setzt der Vorstand nun an. Kann sich CEO Blume mit seinem Sparprogramm gegenüber dem zu erwartenden Gegenwind vor allem aus dem politischen Lager in Niedersachsen durchsetzen? 

Die Ziele sind gesteckt: 20 % operative Umsatzrendite will Porsche zur Mitte des Jahrzehnts erzielen, was machbar ist. Audi soll 12 bis 14 % Marge erreichen, in der Spanne lag man 2022 bereits. Der Knackpunkt liegt im Volumensegment bei der Kernmarke VW, die auf 6,5 % kommen soll, was ein Novum wäre. Dazu müssen die Kosten bei der Kernmarke um 3 Mrd. € runter, im Gesamtkonzern um 5 Mrd. €. Weitere Details wird es am 21. Juni zum Kapitalmarkttag geben, womöglich inklusive eines Einblicks, was mit Konzernmarken wie Lamborghini passieren soll, um die sich seit geraumer Zeit IPO-Spekulationen ranken. 

Die Aktie gibt erste Lebenszeichen, wir haben seit FB-Ausgabe 20/2023 den Fuß in der Tür. Seitdem ist der Wert rd. 10 % gelaufen. Noch aufspringen? Bewertung, Chance-Risiko-Profil stimmen - die Aktie ist zu günstig, um ignoriert zu werden. Blume muss allerdings auch liefern.


Rheinmetall: Von 10 auf 17 Mrd. €? 

Bei Rheinmetall hat der CEO selbst in einem RND-Interview „sehr große Aufträge“ über Panzer, Munition, Flugabwehr und Flugzeuge in Aussicht gestellt. Dass es entsprechende Verhandlungen gibt, sollte angesichts der geopolitischen Lage und des 100 Mrd. € schweren Rüstungssonderetats der Bundeswehr kein Geheimnis sein. Es geht dabei um Orders mit langer Laufzeit im Milliarden-Euro-Bereich. Rheinmetall wird bekanntlich u. a. Rumpfteile für den F-35 produzieren. Armin Papperger sieht Rheinmetall allerdings als Technologie-Konzern und nicht allein als reines Rüstungsunternehmen. Den 770 Mio. € schweren Kompressoren-Auftrag (laut Spekulationen von Viessmann) für Wärmepumpen hatten wir bereits in FB 20/2023 zum Thema. Papperger hat aber auch in Bordsteine integrierte Elektroladepunkte als neue Errungenschaft der Entwicklung genannt. Vor allem hat er eine klare Perspektive: Bei einem operativen Ergebnis von 1,5 bis 1,7 Mrd. € bis 2025 beziffert der CEO den fairen Wert von Rheinmetall auf 17 Mrd. €. Ist das machbar?

Per 2023 liegt das KGV bei gut 17, für 2024 bei 13. Das ist eine überschaubare Bewertung angesichts des Umstands, dass Rheinmetall ohnehin für 3 Jahre mit Aufträgen ausgelastet ist. Projiziert man die aktuelle Bewertungsrelation, basierend auf den Schätzungen für 2025/2026 (21,85 € bzw. 23,29 € Gewinn je Aktie), in die Zukunft, kommt man dem 17-Mrd.-Ziel sehr nahe. Die Richtung stimmt. Nach der Konsolidierung um rd. 15 % vom Hoch bei 280 € steht nun der erneute Anlauf darauf auf der Agenda. 


Thyssenkrupp: Nucera zum IPO mehr wert als der Gesamtkonzern

Der Stahl- und Industriekonzern Thyssenkrupp  drückt mit dem Börsengang seiner Wasserstoff-Tochter Nucera auf die Tube. Der Börsengang ist noch vor der Sommerpause geplant, heißt es aus Essen. 500 bis 600 Mio. € will die Thyssenkrupp-Tochter mit der Aktien-Platzierung wohl einnehmen. Die Mehrheit soll bei Thyssenkrupp verbleiben. Die Partnerschaft mit Minderheitseigner Industrie De Nora (34 %) soll ebenfalls fortgeführt werden, es bleibt also alles beim Alten. Das gilt auch für den Kurs. Die Aktie reagierte kaum auf die Nachrichten. 

Die Rechnung zum Wert der einzelnen Sparten bei Thyssenkrupp legten wir in Ausgabe 15/2023 detailliert vor. Fairer Wert: 11 €, was einem Potenzial von gut 50 % zum aktuellen Kurs entspricht. Allerdings haben wir dabei den „Wert“ von Nucera weit unter den aktuell kolportierten Taxen angesetzt. Die anstehende Transaktion könnte Nucera mit insgesamt rd. 4 Mrd. € Euro bewerten, heißt es. Damit wäre das Wasserstoffgeschäft mehr wert als der gesamte Konzern.

Die Konstellation erinnert stark an VW bzw. die Porsche Holding. Trotz ähnlicher Wertrechnungen und signifikanter Unterbewertung zu rechtfertigbaren „Fair Values“ kommen die Aktienkurse nicht in die Gänge. Ähnlich wird es vermutlich auch bei Thyssenkrupp laufen, denn die grundsätzlichen Sachverhalte und Rechnungen dazu sind lange bekannt. Man benötigt Geduld, bis sich der zweifellos vorhandene „Value“ auch im Kurs bemerkbar macht. Den kurzfristig größeren Impact des Nucera-IPOs erwarten wir bei Industrie De Nora (WKN: A3DK0W). Hier macht Nucera rd. ein Drittel des Unternehmenswertes aus. 

SPEKULATION DER WOCHE


Adobe: Comeback mit KI

Weltklasse-Lösungen für digitales Illustrieren, Layouten, Video- und Bildbearbeitung - dafür steht Adobe aus San José, gegründet 1982. Handling von Dokumenten per Acrobat Reader u. a. kommt hinzu. Die Flaggschiff-Produkte wie Photoshop, Illustrator und InDesign (Layoutlösung) sind im Verlagswesen fest etabliert. 

2013 begann Adobes Umzug in die Cloud. Statt für Lizenzen und Updates zahlen die Kunden für Software-as-a-Service (SaaS). Alles kann Server-gestützt in der Creative-, Experience- und Document- Cloud erfolgen. Die Umstellung war offenbar ein Erfolg: Von Anfang 2013 bis Nov. 2021 stieg der Kurs um den Faktor 19 zum Allzeithoch 699,54 $. Ca. 90 % vom Umsatz sind nun wiederkehrend als Annualized Recurring Revenue (ARR). Außerdem:

Verluste gab es in den letzten zehn Jahren nicht. Wachstumsrate und EBITDA-Marge erfüllen die „Rule of 40“ locker. Die Nettomargen (im GJ 2022: 27 %) und Aktienrückkäufe (2022: 6,5 Mrd. $) belegen die Stärke. Trotzdem verlor Adobe parallel zur Korrektur vieler anderer Tech-Adressen 60 % an Wert. Auslöser war das Unverständnis für den Kauf der digitalen Designplattform Figma (gegr. 2012) für 20 Mrd. $. Sie ermöglicht die weltweite Zusammenarbeit. Dies bleibt sinnvoll, auch nachdem man die jüngste Pandemie abgehakt hat. Adobe wird auch diese Plattform integrieren und sich noch stärker unverzichtbar machen. Als wunder Diskussionspunkt (wegen des hohen Preises) wurde die geplante Übernahme vorläufig verdrängt, denn: 

Die nächste Stufe heißt KI. Je nach Definition des Begriffs ist Künstliche Intelligenz schon längst in Adobe-Produkten enthalten. Nun wird der Zusammenhang ganz offensichtlich. Die „Maschine“ namens Sensei GenAI wurde vorige Woche offiziell präsentiert. Adobe lädt dazu ein, die Betaversion kostenlos zu testen. Man betont, die Kreativen mit dem Einsatz von AI von ungeliebten Mühseligkeiten entlasten zu wollen. Tatsächlich ist das Potenzial aber einige Stufen höher anzusiedeln. Die AI basiert auf bisherigen kreativen Leistungen. Völlig neue Stilrichtungen wird sie nicht erzeugen. 

Die generative (erzeugende) KI erhält ihre Anweisungen in verbaler Form. Etwa so: „Illustriere diese Seite mit der Abbildung einer Katze!“ Die Ergebnisse wirken professionell. Kein Wunder, die KI hat anhand der Arbeiten menschlicher Zeichner und Layouter gelernt und könnte diese künftig in vielen Fällen ersetzen. Es gibt wertvolle zusätzliche Möglichkeiten: „Nutze mein persönliches Farbschema!“ oder „Beachte die Corporate Identity des Unternehmens!“ oder „Male im Stil van Goghs!“

Das übergeordnete Tool namens „Firefly“ sehen wir als intuitives Bedienpult für diese KI. Mit Firefly ändert man das entstandene Kunstwerk so lange ab, bis das Ergebnis komplett gefällt. Davon darf man sich begeistern lassen. Adobe geht davon aus, den Mitbewerbern zunächst weit enteilt zu sein. 

Banken reagierten positiv. Etwa Wells Fargo mit Hochstufung auf „Overweight“, ohne noch die neuen Quartalszahlen (Termin am 15. Juni nach Redaktionsschluss) abzuwarten. 

Vor dem Zahlentermin (am Donnerstag nach Redaktionsschluss) wurden konkrete Kursziele für Adobe hochgesetzt. Anstatt die Quartalszahlen abzuwarten, lehnte sich Jefferies (statt 440 lautet das neue Ziel 530 $) am weitesten aus dem Fenster. Morgan Stanley ging von 385 auf 470 $. Ähnlich zielt Evercore auf 475 $ (statt 425). Die Spekulation auf Adobe gehen wir mit, orientiert am Euro-Kurs. 


Rexel: Klimaprofiteur mit KGV 6 

Die französische Rexel ist hierzulande nur wenigen Anlegern ein Begriff: Die Aktie bietet aber eine vielversprechende Perspektive mit Fokus auf Themen wie Nachhaltigkeit und die Energiewende. Rexel vertreibt Produkte und Services für die Energiewelt, das Spektrum reicht von Gebäudemanagement-Systemen, Lösungen für die Klimatisierung von Gebäuden, Sicherheitslösungen, Verkabelungsinfrastrukturen für IT-Systeme bis hin zu kompletten Hausautomatisierungslösungen. Hinzu kommen Photovoltaik-Lösungen und Ladelösungen für Elektrofahrzeuge. Mit anderen Worten: Die zu erwartenden Vorschriften der EU zur CO2-Effizienz von Gebäuden wirken für einen Großteil des Geschäfts wie ein individuelles Konjunkturprogramm.

Für das Jahr 2023 ist ein Umsatz von rd. 19 Mrd. € zu erwarten, der bis 2026 auf 21,3 Mrd. € anwachsen sollte. Der Gewinn ja Aktie per 2023 wird auf 2,65 € taxiert, bis 2026 stehen 3,38 € auf der Uhr. Die Bewertung ist mit einem KGV von knapp über 8 für die Perspektiven eines Gewinners der Effizienzbestrebungen zu günstig, zumal es bis 2026 weiter auf 6 sinken wird. Nicht ohne Grund hat JPMorgan die Aktie frisch auf „Positive Catalyst Watch“ gesetzt. 30 € als Kursziel und damit ein neues Allzeithoch für die Aktie lassen sich mit den Perspektiven rechnen. Selbst dann wäre der Wert noch nicht teuer.

EUROPA


AMG: Europäischer Lithium-Primus mit 7er-KGV

Der Lithiummarkt lohnt einen neuen Blick, siehe dazu Seite 7. Ein zentrales Problem bei kritischen Rohstoffen wie Lithium ist die Abhängigkeit von China. Weniger wegen des Lithiums selbst, sondern aufgrund der Raffineriekapazitäten, die sich fast ausschließlich in China befinden. Der einzige echte europäische Spezialist für die Herstellung von batteriefähigem Lithium ist der Metallurgiekonzern AMG Critical Materials (früher: Advanced Metallurgical Group), hierzulande dem einen oder anderen noch durch die Übernahme von Graphit Kropfmühl bekannt. An der Spitze bei den Niederländern steht der ehemalige Metallgesellschaft-Manager Heinz Schimmelbusch.

Der ursprüngliche Fokus von AMG liegt auf kritischen Basismaterialien wie Vanadium, Tantalum, Titanium, Graphit oder eben Lithium. Vanadium ist ein wesentlicher Bestandteil von Vanadium-Flow-Batterien, die für die stationäre Stromspeicherung bei der Stromerzeugung aus Sonne und Wind verwendet werden. Graphit ist das derzeit gängige Anodenmaterial für Batterien. Die Lithium- Aktivitäten der Niederländer verdienen einen besonderen Blick. In Bitterfeld entsteht die erste deutsche Lithium-Raffinerie, die das Rohmaterial zu hochreinem Lithiumkarbonat und -hydroxid weiterverarbeitet. Vorgesehen ist eine Kapazität von 20.000 Tonnen pro Jahr. In Brasilien steht bereits ein Konverter für 90.000 Tonnen. Das Gros der verfügbaren Konverter befindet sich aktuell in China. Ende des Jahres soll der Betrieb in Bitterfeld starten. In Vollauslastung kann AMG damit rd. 400.000 E-Autos versorgen. Die Kapazitäten in Bitterfeld sollen bis 2030 verfünffacht werden. In China wird die Tonne Lithiumhydroxid für rd. 40.000 € gehandelt. Allein in Bitterfeld geht es in der ersten Ausbaustufe um rd. 800 Mio. € Umsatz. Bei Faktor 5 lässt sich die Perspektive bis 2030 bei gleichbleibenden Preisen auf 4 Mrd. € hochrechnen. Die Umsatzerwartung für 2023 liegt für alle Aktivitäten bei 1,75 Mrd. €. Der Gewinn je Aktie wird mit 6,69 € angegeben und soll 2024 auf 7,93 € bei gut 2 Mrd. € Umsatz steigen. Angesichts der Mittelfristperspektive ist die aktuelle Bewertung mit 1,6 Mrd. € Börsenwert (KUV 0,9) und KGV 7,4 zu 6,2 ein Sonderangebot. Wir schlagen billigst zu.

USA


Netflix: Einstieg ins Live-Streaming?

Netflix will etwas für Kundenbindung und mehr Kundenwachstum tun und schielt auf Sport-Live-Streaming. Mit der Einschränkung des Account-Sharing hat man bereits einen entscheidenden Schritt für die Kundengewinnung unternommen. Zusatzmitglieder können je Account gegen Gebühr (in Deutschland 5 €) dazugebucht werden. Lohnt das einen neuen Blick?

Auf knapp 232,5 Mio. Abonnenten kam Netflix als Pionier und größter Streaming-Dienst zum Ende des ersten Quartals 2023. Bei aktuell knapp 194 Mrd. $ Börsenwert wird somit jeder Kunde mit 833 $ bewertet. Zum Vergleich: Im Schnitt generiert ein Kunde 146 $ Umsatz pro Jahr. Die Kosten für die Kundengewinnung taxieren wir auf ca. 170 $ je Kunde, zuletzt mit steigender Tendenz. Dass man dennoch bei 38 Mrd. $ Börsenwert 14,60 $ je Aktie verdient, dokumentiert die Eigenheiten des Abo-Modells. Jede Maßnahme, die die Kundenbasis stabilisiert, den Umsatz je Kunden erhöht und/oder die Kosten für Neu- oder Wiedergewinnung senkt, wirkt mit einem Hebel. Durch die neue gebührenpflichtige Sharing-Option zielt man auf die ca. 100 Mio. Haushalte ab, die Netflix bisher kostenlos nutzten. Laut Bank of America führte die Maßnahme in den USA zu einem Impuls bei den Neuanmeldungen. Die Analysten schätzen, dass Netflix 2023 rd. 18,7 Mio. Abonnenten netto dazugewinnen kann. 2024 rechnen sie mit weiteren 20 Mio. neuen Abonnenten.

Nun will man auch mehr Wert auf die Kundenbindung (neben der Neugewinnung) legen. Es wird spekuliert, dass Netflix unmittelbar vor einem Einstieg in den Bereich der Live-Sportübertragung steht. Das wäre ein Novum und eine Strategieänderung, mit der man in neuen Gewässern auf Kundenjagd gehen würde. Das eröffnet zweifellos neue Wachstumsperspektiven. Allein das Kundenwachstum - wie von der Bank of America avisiert - würde einen Aufschlag von 15 % bei gleichbleibender Kundenbewertung rechtfertigen. In die Aktie kommt wieder frische Fantasie. Wir springen auf.

Tesla paktiert mit GM

Die Tesla-Analysten sind von der Charging-Kooperation mit GM begeistert. GM wird ab 2025 den North American Charging Standard in seine Elektrofahrzeuge integrieren. Damit könnten die künftigen E-Autos von GM an 12.000 Tesla Superchargern laden. Wedbush erhöhte aufgrund der damit verbundenen Wertsteigerung des Supercharger-Netzwerks das Kursziel für Tesla von 215 auf 300 $. Was man allerdings nicht auf dem Schirm hat: Das Charging-Netzwerk ist eines der Kaufargumente, damit fällt zumindest gegenüber GM ein Kaufargument weg. Vor diesem Hintergrund und aufgrund der ungerechtfertigten Überbewertung stehen wir auf der Gegenseite. 

Anleihen/ETFs/Derivate


Weißes Gold per ETF

Am Lithium-Markt tut sich einiges, das M&A-Karussell dreht sich, zuletzt mit der Großfusion zwischen Allkem und Livent als Ausrufezeichen. Der Ausbau der Elektromobilität wird den Lithiummarkt bereits 2024 in ein Defizit bringen. Die Preise für das „weiße Gold“ haben sich nach dem deutlichen Rückgang (- 70 %) zwischen November 2022 und April 2023 wieder um rd. 15 % erholt - die temporär wegen des Lieferstaus im Autosektor aufgebauten Überkapazitäten in China sind abgebaut. Der Preisanstieg sollte sich daher fortsetzen. Weltweit werden Investitionen in neue Batteriekapazitäten lanciert. Die EU etwa will knapp 90 Prozent des Batteriebedarfs von Herstellern in Europa decken, sodass rd. 30 Gigafactories geplant oder im Bau sind. In den USA werden im Zusammenhang mit dem Inflation Reduction Act mehr als 50 Mrd. $ für die Batterielieferkette und insbesondere für den Bau von Batteriefabriken allokiert. 

Ein neuer Blick auf den Sektor lohnt sich. Hier rücken wir den Global X Lithium Battery Tech ETF in den Fokus. Er deckt mit Lithiumproduzenten wie Albemarle oder SQM und Batterieherstellern wie Panasonic, Samsung SDI und Autoriesen wie Tesla oder BYD die komplette Lithium- und Batteriewertschöpfungskette ab. Die Gesamtkosten liegen bei 0,6 Prozent. Das Papier ist auch sparplanfähig.


PNE bietet risikoarme 3,8 %

Die Nachfrage nach Energie aus Wind- und Solarkraft wird in den nächsten Jahren zunehmen. In diesem Feld tummelt sich eine Reihe von Projektentwicklern und Bestandshaltern. PNE Wind gehört zu den Branchengrößen, die einerseits Parks projektieren, bauen und an Investoren weiterverkaufen, aber auch eigene Kapazitäten im Bestand haben. Einschließlich der im Bau befindlichen Projekte liegt die eigene Kapazität von PNE bereits über dem für 2023 angestrebten Ziel von 500 MW und ist auf dem besten Weg, mehr als 1,5 GW bis 2027 zu erreichen. Die gesamte Projektpipeline ist auf 13,8 GW/GWp angewachsen. 

Für die Vorfinanzierung der Projekte nutzt man unter anderem Kapital aus Anleihen. Im Mittelpunkt bei PNE stand zuletzt der Verkauf des US-Geschäfts und die Weitergabe bzw. der Verkauf des Mehrheitsanteils durch Morgan Stanley. Beides ist sowohl für die Aktie als auch die Anleihe positiv zu werten. Die aktuelle, bis 2027 laufende Anleihe hat einen Coupon von 5 %. Am 23.06. ist erster Zinstermin. Der Bond ist angesichts der erfolgreichen Historie, dem anstehenden Verkauf des US-Geschäfts und einem möglichen Wechsel beim Großaktionär relativ risikoarm und attraktiv. Die Ablaufrendite beläuft sich bei einem aktuellen Kurs von 104,25 auf 3,8 %. Das ist besser, als das Kapital niedriger verzinst bei der Bank liegen zu lassen.

KONSERVATIVES MUSTERDEPOT

Intel kommt in die Gänge

Intel und Nvidia rücken näher zusammen (siehe FB 23/2023) und es deutet einiges darauf hin, dass man auch mit dem Börsenaspiranten ARM auf eine tiefere Kooperation hinarbeitet. In New York wird gemunkelt, das sich Intel ein großes Aktienpaket an ARM sichern will, noch bevor der Chip-Designer öffentlich an die Börse geht. Softbank will ARM bekanntlich an die Nasdaq bringen. ARM und Intel haben im April 2023 bereits eine Partnerschaft bekannt gegeben, in deren Rahmen bestimmte Prozessorkerne beziehungsweise -designs auf Intels kommenden Fertigungsprozess 18A optimiert werden sollen. Im Fokus stehen zwar zunächst nur mobile SoCs (System-on-a-Chip, Ein-Chipsysteme), Nvidia, AMD und Qualcomm greifen ebenfalls auf ARM-Architekturen zurück, sodass es bei Chipdesigns für Automotive, Datacenter und Internet der Dinge ebenfalls Aussichten auf entsprechende Foundry-Aufträge gibt. Hier spielt Intel schon allein der Umstand in die Hände, dass man die Fertigungskapazitäten aufgrund der Geopolitik regional diversifizieren muss. Die Intel-Aktie löst sich endlich aus der Lethargie und mit frischem Kaufsignal aus der Bodenbildung. 

Depot:


SPEKULATIVES MUSTERDEPOT

Neuzugang Netflix

Neu per Bernecker App aufgenommen haben wir am Dienstag 35 Netflix-Aktien. Die Überlegungen dazu lesen Sie auf Seite 6. Die Deutsche Telekom als Neuzugang der Vorwoche hat sich erwartungsgemäß gefangen. Berenberg bescheinigt der Telekom 45 % Kurschance (Ziel: 28 €). Das deckt sich weitgehend mit unserer Einschätzung für den Depotkauf.

Depot:


EMPFEHLUNGSLISTE

Teil I:


Teil II:


IMPRESSUM

Webinar-Hinweis:

Die Welt steht vor dramatischen Veränderungen. Dazu gehören XL-Chancen, aber auch XL-Herausforderungen. Ein so ausgeprägter Zwiespalt kann zu einer „Denkpause“ an den Märkten führen. Wie können Sie in einem solchen Rahmen ein renditestarkes Portfolio zusammenstellen, das auf besonders wichtige langfristige Trends zugeschnitten ist? Genau darum geht es: 

Im Bernecker-Webinar am 22.06.2023. Referenten: Volker Schulz und Giuseppe Amato. Lassen Sie sich die Anregungen für Ihr persönliches Profi-Depot nicht entgehen. 

Registrieren Sie sich noch heute für diese sicherlich hochinteressante Veranstaltung! HIER KLICKEN.


Redaktion:

Markus Horntrich (verantwortlich),

Carsten Müller,

Helmut Gellermann

Verlag: Hans A. Bernecker Börsenbriefe GmbH, Schiessstr. 55, 40549 Düsseldorf;
GF: Michael Hüsgen, AG Düsseldorf HRB 88070

Abo-/Leser-Service: Bernecker Börsenbriefe, Westerfeldstr. 19, 32758 Detmold,
Tel.: 0211.86417-40, Fax: -46, Mail: abo@bernecker.info

Der Frankfurter Börsenbrief erscheint wöchentlich. Vervielfältigung und Weiterverbreitung sind nicht erlaubt. Kein Teil darf (auch nicht auszugsweise) ohne unsere ausdrückliche vorherige schriftliche Zustimmung auf elektronische oder sonstige Weise an Dritte übermittelt, vervielfältigt oder so gespeichert werden, dass Dritte auf sie zugreifen können. Jede im Bereich eines gewerblichen Unternehmens veranlasste (auch auszugsweise) Kopie, Übermittlung oder Zugänglichmachung für Dritte verpflichtet zum Schadensersatz. Dies gilt auch für die ohne unsere Zustimmung erfolgte Weiterverbreitung. ALLE RECHTE VORBEHALTEN. Der Inhalt ist ohne Gewähr. Alle Informationen beruhen auf Quellen, die wir als zuverlässig erachten. Sie dienen der aktuellen Information und journalistischen Veröffentlichung ohne letzte Verbindlichkeit; die Informationen stellen insbesondere keine individuelle Beratung oder Empfehlung dar und begründen keine Haftung. Die vergangene Entwicklung besprochener Finanzinstrumente ist nicht notwendigerweise maßgeblich für die künftige Performance. Risikohinweis: Alle Börsen- und Anlagegeschäfte sind grundsätzlich mit Risiken verbunden. Verluste (bis hin zum Totalverlust) können nicht ausgeschlossen werden. Der Leser sollte die von den Banken herausgegebene Informationsschrift „Basisinformationen über Wertpapiere und weitere Kapitalanlagen“ sorgfältig gelesen und verstanden haben. Weitere rechtliche Hinweise finden Sie auf unserer Internetseite www.bernecker.info unter RECHTLICHES > Impressum / AGB. Gewinn- und Dividendenschätzungen bei Aktien beruhen (außer bei anderslautender Kennzeichnung) auf Angaben von Bloomberg bzw. FactSet. Angaben zu der Aktien-Marktkapitalisierung deutscher Unternehmen basieren im Regelfall auf Angaben der FactSet Digital Solutions GmbH, Bloomberg oder eigenen Berechnungen. Kurs-Charts werden zum Großteil mit Unterstützung von Tai-Pan erstellt. Infos: https://tai-pan.lp-software.de/bernecker. Layout-Bilder: Adobe Stock.